“Hallo wir sind Dario und Jemen. Zusammen hatten wir viel Freude am Schnee. Hoffentlich kommt er nochmal wieder.”
“Ich bin Kevin. Ich wohne in der Wohngruppe Monika. Ich habe schon viel gelernt, aber ich möchte noch viel mehr lernen, z.B. lesen, schreiben und Schleife binden.”
Das St. Joseph Kinder- und Jugendhaus ist eine heilpädagogische Wohnstätte für Kinder und Jugendliche mit kognitiven und mehrfachen Behinderungen. Unser Haus verfügt über insgesamt 32 Plätze.
Im Haus befinden sich vier Wohngruppen mit jeweils acht Kindern und Jugendlichen. Die Wohngruppen verfügen über einen Wohn- und Essbereich, ein Pflegebad, einzelne kleine Bäder sowie einen Büroraum. Die Kinder und Jugendlichen sind in Einzel- bzw. Zweibettzimmern untergebracht.
Bewohner, die längere Zeit in einer Wohngruppe gelebt und ein hohes Maß an lebenspraktischen Fähigkeiten erworben haben, können in zwei separaten Zimmern, außerhalb der Gruppe, aber immer in der Nähe der vertrauten Bezugspersonen, weitere Schritte zur Verselbständigung individuell einüben.
In der 3. Etage ist ein Rhythmik- und Musikraum mit Wasserbett und Klangschale eingerichtet. Der Freizeitraum mit Bällebad wird gern für Ergotherapie und Einzelförderung genutzt.
Im Souterrain befindet sich ein Kreativraum sowie ein Mehrzweckraum für Disco, Gruppen-feiern, Tischtennis, Filmvorführungen usw. Die großräumig angelegte Turnhalle bietet für Sport und Psychomotorik mannigfaltige Möglichkeiten. Der Spielplatz steht im Außenbereich für vielfältige Beschäftigungs- und Freizeitaktivitäten zur Verfügung und ermöglicht vielgestaltige Erfahrungen.
Als Anlaufziel für Spaziergänge wird gern der Garten mit Spielgelände, Grill und Blockhütte im Rieth gewählt.
Im Erdgeschoss befindet sich eine Kapelle, in der regelmäßig Wortgottesdienste und Andachten angeboten werden.
Bewohnerrat
Die Meinung unserer jungen Bewohner ist uns wichtig. Der Bewohnerrat soll zur Selbst- und Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung beitragen. Neben den repräsentativen Aufgaben soll eine Mitwirkung bei der Freizeitgestaltung, der Wahrung und Verwirklichung von Rechten sowie bei der Gestaltung der Wohnsituation erfolgen.
Der Bewohnerrat besteht insgesamt aus drei Mitgliedern und einer Vertrauensperson. Er wird für 3 Jahre gewählt. Es findet eine enge Zusammenarbeit mit dem Bewohnerrat und der Bereichleitung statt. Einmal im Jahr wird eine Vollversammlung einberufen.
Bewohnerteamtag
Der Bewohnerteamtag wird individuell gestaltet. Die Thematik, die von den Kindern- und Jugendlichen vorher ausgesucht wurde, steht im Vordergrund. Das Programm wird durch verschiedene Angebote wie Musik, Sport, Kreativität oder Entspannung ergänzt. Die Wohngruppen bekommen im Vorfeld Listen über die Themen ausgehändigt; hier sollen sich die Kinder- und Jugendlichen (Mitarbeiter als „Beraterfunktion“) eintragen.
Die Teilnehmer werden von den pädagogischen Mitarbeitern über den Ablauf eines Teamtages informiert. Das Angebot findet außerhalb der Einrichtung statt. Der zeitliche Rahmen sollte eine gemeinsame Mahlzeit enthalten. Die pädagogischen Mitarbeiter werden am Kinderteamtag nicht ausschließlich Mitarbeiter der Wohngruppen sein. Alle Kinder- und Jugendlichen sollten einmal im Jahr teilnehmen. Der Teamtag wird protokolliert und ein Abschlussergebnis wird erarbeitet und vorgetragen. Die Lernerfahrung der Kinder- und Jugendlichen soll die Stärkung des Selbstwertgefühls sein, um Partizipation leben zu können.
Eltern- und Angehörigenrat
Die Zusammenarbeit mit Eltern und Angehörigen ist uns sehr wichtig. Eltern werden in die pädagogische Arbeit mit einbezogen. An regelmäßigen Elternnachmittagen werden mit Vertretern der Schule aktuelle Themen aufgegriffen, wobei auch die persönliche Begegnung bedeutsam ist. Gewählte Elternvertreter treten für die Interessen der Bewohner und Angehörigen ein.
Partizipation heißt Teilhabe
Mit der Bedeutung des Themas Partizipation beschäftigten wir uns 2015 erneut intensiv. Zweifellos stellt uns die Arbeit mit unseren Bewohnerinnen und Bewohnern mit zum Teil schweren Behinderungen vor besondere Herausforderungen, denen wir uns gerne stellen.
In einer intensiven zweitägigen Fortbildung befassten wir uns mit grundsätzlichen Aspekten von Partizipation als Auftrag für die Arbeit mit Jugendlichen und Kindern, um eine gute Orientierung für unsere pädagogische Alltagsarbeit und unser Zusammenleben zu haben.
Unsere christliche Orientierung gibt uns die Gewissheit, dass jeder Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Jeder Mensch ist ein einzigartiges Geschöpf Gottes. Diese Gewissheit und unser Ziel, dass jeder uns anvertraute Mensch mit Beeinträchtigung mit unserer Hilfe seinen Platz in der Gesellschaft finden kann, sind uns Grundlage und Orientierung auch für dieses Thema.
Die Idee der Partizipation als Chance und Anforderung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kommt aus dem politischen Raum. Wegweisend ist die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN), die die Rechte der Kinder stärkt, und ihren Schutz und das Recht auf angemessene Berücksichtigung ihrer Meinung in allen sie betreffenden Angelegenheiten in den Focus rückt.
Das Kinder-und Jugendhilfegesetz (KJHG) in Deutschland nimmt dies im §8 auf, der besagt, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen Entscheidungen, die sie betreffen, zu beteiligen sind. Ferner sind sie über ihre Rechte zu informieren und können auch unabhängig von ihren Eltern beraten werden.
Die Bilder von Kindern und Kindheit haben sich stark verändert. Sie sollen als Partnerinnen und Partner in der Gestaltung ihres Alltags und ihres Lebensraumes ernst genommen werden. Sie mit ihren Möglichkeiten und Grenzen zu sehen als gleichwertige Geschöpfe ist unser Auftrag. Ihnen Teilhabe zu ermöglichen und zuteil werden zu lassen ist beständig neu unser Ziel und Bemühen.
Um was geht es genau bei dem Begriff „Partizipation“?
Es geht einerseits um die anthropologische Grundannahme, dass jeder Mensch den Wunsch nach Teilhabe und nach Selbstwirksamkeit in sich trägt. Durch die Erfahrung der Zugehörigkeit und des Mittuns in der Gemeinschaft wächst der Mensch zu einem verantwortlichen sozialen Wesen. Partizipation meint hier „Teilhabe“.
Zum anderen geht es um gelebte Demokratie, die meint, dass Verantwortung auf viele Schultern aufgeteilt werden sollte und möglichst alle an Entscheidungsprozessen zu beteiligen sind. Machtkonzentration wird als gefährlich gesehen. Wichtig ist hier der Zugang zu Informationen und Transparenz. Partizipation meint hier „Mitbestimmung“.
Zum dritten geht es um pädagogische Ziele. Partizipation meint hier „Beteiligung“. Es geht darum, jeden mit seinen Talenten und Möglichkeiten zu beteiligen und alle Entwicklung zu fördern, die auf ein selbstständiges Leben vorbereiten kann. Dazu zählen Beteiligung an Bildungschancen und Unterstützung bei der Persönlichkeitsentwicklung für jeden.
Diese Grundsätze in unserem Alltag immer wieder umzusetzen, fordert uns als Erzieher heraus. Wir müssen es im Team vorleben und auch hier Raum schaffen für Mitbestimmung, Teilhabe und Beteiligung. Das erfordert Zeit und Geduld, Aufmerksamkeit und Umdenken. Die Entwicklung einer Partizipationskultur ist ein ständiger Prozess, der von uns regelmäßige Reflektion der Erfolge und Toleranz für das, was erneut probiert werden muss, verlangt.
Wir sind in unserem multiprofessionellen Team Vorbild im Umgang miteinander und schaffen verlässliche Strukturen für Partizipation. Mit diesem Blick werden wir unser Konferenzen, Zusammenarbeits- und Austauschmöglichkeiten prüfen. Wir schauen nach Abstimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten im Mitarbeiterteam und suchen nach Möglichkeiten, unsere besonderen Vorlieben und Talente im pädagogischen Alltag einzubringen.
In der Gestaltung unseres gemeinsamen Alltags und Lernens mit den Kindern und Jugendlichen wird Partizipation konkret. Es geht darum, Strukturen und eine Atmosphäre aufzubauen, die von Zuhören, Interesse an der Meinung von Jedem, von Wertschätzung und Ernstnehmen geprägt ist. Wir stärken die Bewohnerinnen und Bewohner in ihrer Selbstkompetenz und ermöglichen ihnen die individuelle Mitgestaltung ihres persönlichen Umfeldes.
Wir unterstützen und begleiten die Kinder und Jugendlichen in den drei wichtigen Kompetenzbereichen Ich-Stärke, Sozialkompetenz und Sachkompetenz. Zur Stärkung der Ich-Kompetenz unterstützen wir unsere Bewohner beim Kennenlernen und Herausfinden der eigenen Bedürfnisse, Meinungen, Stärken und Schwächen. Dafür setzen wir speziell für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen entwickelte Methoden und viel Kreativität ein. Zur Entwicklung der Sozialkompetenz legen wir Wert auf Toleranz, aber auch auf die Entwicklung und Äußerung einer eigenen Meinung. Beides soll im Miteinander Platz finden. Sachkompetenz meint, so gut wie möglich informiert zu sein, und Abläufe und Verfahren zu kennen. Nur so kann man sich für sich einsetzen. Wir helfen bei der Recherche von Hintergrundwissen und sorgen für sich wiederholende Prozesse, um so die Organisation von Entscheidungen kennenzulernen.
Das ist für uns in der Arbeit mit Menschen mit zum Teil schweren Behinderungen eine große Herausforderung. Wir helfen Ihnen, sich auszudrücken und bemühen uns, ihre Willensäußerungen zu verstehen. Manchmal müssen wir für sie Sprache finden und ihren Ausdruck übersetzen. Wir suchen beständig nach neuen Möglichkeiten des Verstehens. Teilhabe beginnt hier mit Dabeisein und Dazugehören. Wir Erzieher müssen den Prozess im Blick behalten und unser Ziele, jeden soweit wie möglich in die Selbstverantwortung zu führen, und jedem die Mitgestaltung des Alltags zu ermöglichen.
Natürlich gibt es Abstufungen in der Partizipation. Nicht alles unterliegt der Mitbestimmung. Wir sind als Erwachsene erfahrener und übernehmen Verantwortung im pädagogischen Feld. Auch geben wir Regeln vor und setzen einen Rahmen. Hier gilt es fein abzustufen, in welchen Bereichen es um Transparenz und Information gehen kann, um Beratung und gehört werden, und wo mitbestimmt werden kann. Den Raum für Partizipation beständig zu weiten, die Grenzen zu reflektieren, neue Versuche zu wagen und neue Möglichkeiten für Beteiligung zu finden, ist unsere Herausforderung.
So gibt es Stufen der Partizipation. Manches steht fest und kann nicht diskutiert werden. Dann geht es um Information und Transparenz. Es geht darum, gehört zu werden, die Meinung äußern zu können und in der Beziehung ernst genommen zu werden. Manches kann so beraten und hinterfragt werden und vielleicht aus neuer Perspektive betrachtet werden, auch wenn ein unmittelbares Mitentscheiden nicht möglich ist.
Erwachsene können jedoch auch in vielen Anliegen Entscheidungsprozesse für Kinder und Jugendliche vorbereiten und initiieren. Dann können Entscheidungen gemeinsam fallen. Die Erwachsenen schaffen den Entscheidungsraum. Hier sind immer wieder unsere Phantasie und unser pädagogisches Geschick gefragt.
Auch Kinder und Jugendliche können Entscheidungsprozesse initiieren und deren Prozess und Ergebnis mit den Erwachsenen teilen. Sie können je nach Entwicklungsstand über ihre Angelegenheiten sprechen. Sie können Konferenzen haben und Sprecher wählen. So führen wir unsere Bewohner so früh wie möglich an die Arbeit des Bewohnerrates heran.
Für eine Kultur der Partizipation bedarf es klarer Strukturen von Mitsprache und von Gesprächsorten, von Gruppenkonferenzen und Gruppenvertretungen bis hin zu Bewohnerrat und Elternrat. Auf allen Ebenen müssen für die Teilhabe Rituale entwickelt werden, um nachhaltig verankert zu sein. Es ist Teil unseres Konzeptes.
Wir sind auf dem Weg. Das bedeutet auch, Fragen und Unsicherheiten auszuhalten, immer neu zu reflektieren und in den Dialog zu gehen. Das heißt auch, Entscheidungsmacht und -befugnis zu teilen und immer wieder zu fragen: Kann ich diese Entscheidung durch Partizipation auf breitere Füße stellen?
So bauen wir immer weiter an einem Klima der Beteiligung, an einer Kultur der Partizipation. Im Team und mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und deren Eltern.
Margaretha Burggraf